Das Bundesverfassungsgericht hat gestern einstimmig das Betreuungsgeld gekippt. Der im August 2013 eingeführte Zuschuss von 150 Euro ging bisher an Eltern, die ihre zwei- bis dreijährigen Kinder nicht in eine öffentlich geförderte Kita bringen, sondern zu Hause erziehen. Derzeit beziehen bundesweit Eltern von fast 500.000 Kindern das Betreuungsgeld, besonders viele von ihnen kommen aus Nordrhein-Westfalen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist jetzt aber Schluss mit dieser Unterstützung. Wir haben mit dem Nottulner Bundestagsabgeordneten Karl Schiewerling über das Urteil gesprochen.
Der Sozialpolitiker und Vorsitzende des Kolpingwerks NRW engagiert sich schon seit vielen Jahren in puncto Werte- und Familienfragen:
Frage: „Herr Schiewerling, Sie haben sich stets für das Betreuungsgeld stark gemacht, damit die Familie nicht ökonomisiert wird? Was meinen Sie damit?“
Schiewerling: „Ich spreche von einer Ökonomisierung der Familie, wenn Eltern nach der Geburt von Kindern so schnell wie möglich wieder in den Beruf sollen. Dabei sollten sie eigentlich wählen können, was sie für richtig halten. Der Staat hat dazu die Rahmenbedingungen zu setzen. Das Betreuungsgeld war ein solcher Rahmen. Eltern hatten so die Möglichkeit, ihre Kinder in den ersten drei Jahren zu Hause zu betreuen. Diese Wahlfreiheit ist wichtig, denn in den ersten Jahren eines Kindes geht es um Bindung und nicht um Bildung.“
Frage: „Die Klage zum Betreuungsgeld kam aus Hamburg. Hier heißt es, dass das Betreuungsgeld Kinder vom Bildungsangebot der Kindertagesstätten fernhalte und überholte Rollenvorstellungen über die Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit verfestige. Wie sehen Sie das?“
Schiewerling: „Das Betreuungsgeld wurde von Hamburg aus ideologischen Gründen beklagt. Sie gehen davon aus, dass Kinder in jedem Fall in einer Kita besser erzogen werden als durch die Eltern. Dabei wird immer wieder auf die Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen verwiesen. Wie hier im Münsterland erziehen die allermeisten jungen Eltern ihre Kinder aber sehr verantwortungsbewusst.“
Frage: „Wo sollten Ihrer Ansicht nach die frei gewordenen Gelder nun hingehen?“
Schiewerling: „Das Problem sehe ich in erster Linie nicht beim U3-Ausbau, sondern es fehlt uns an ausgebildetem Personal. Viele Eltern wünschen sich aufgrund der persönlichen Beziehung eine Betreuung durch eine Tagesmutter. Daher sollte das eingesparte Geld den Familien über Absetzbarkeit von Freibeträgen für die eigene Kinderbetreuung wieder zur Verfügung gestellt werden. Wir müssen weiterhin ein Herz für Familien und Kinder zeigen und Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder unterstützen. Bund und Länder müssen daher auch in Zukunft Geld für eine bessere Wahlfreiheit junger Familien bereitstellen.“